Doppelspurausbau der SBB in Lottstetten – Wollen unsere Volksvertreter/Politiker überhaupt die Meinung des Volkes hören?
Hieß es nicht nach jedem Wahldebakel der letzten Monate sinngemäß, man müsse sich als Politiker wieder mehr dem Wähler zuwenden und ihm zuhören? Der eigentliche Souverän sei der Bürger und man müsse ihn endlich wieder respektieren?
Wir haben im Zusammenhang mit dem geplanten Doppelspurausbau der SBB in Lottstetten das Gefühl, dass es unseren Regionalpolitikern leichter fällt, sich zurückzulehnen, sich wegen der guten Beziehungen zur Schweiz selbstgefällig auf die Schulter zu klopfen, der zahlungskräftigen SBB zu glauben – und sich eben nicht um die Belange der eigenen Bürger zu kümmern.
Zum Sachverhalt:
Haben die Vertreter der SBB zunächst immer behauptet, der „Halbstundentakt“ in Richtung Zürich bzw. Schaffhausen für Lottstetten wäre der Hauptgrund für den Streckenausbau (eine Garantie, dass der Bahnhof Lottstetten in zehn Jahren noch bedient wird, will die SBB aber nicht geben…), machen sie zwischenzeitlich keinen Hehl mehr daraus (vgl. Pressemitteilung im „Zürcher Unterländer“ vom 04.01.2024), die neue Güter-Zulaufstrecke zur NEAT in die grenznahe Region verlagern zu wollen. Sattelauflieger und Wechselbehälter mit bis zu 4 Metern Eckhöhe. – Selbst auf der Gäubahn ist eine Befahrung mit solch riesengroßen Zügen nicht möglich. – Interesse an den Bedürfnissen der Lottstetter Bürger? Nicht vorhanden! Interesse um die Sorgen der betroffenen Anwohner – nie angedacht!
Angesichts eines unzumutbaren Verkehrsstaus, der sich zwischen Säckingen und Tiengen täglichen verlässlich abspielt, aber keinerlei Lösungsversuche erkennbar sind: Was bringt uns, dem Landkreis Waldshut, eine Gäubahn von Stuttgart nach Zürich (außer Lärm, Schmutz und Verschandelung der betroffenen Gemeinden)? Werden hier die richtigen Prioritäten gesetzt?
Wir nahmen vor über einem halben Jahr Kontakt auf mit unserem Europaabgeordneten – außer einer Rückmeldung nach etwa drei Monaten, dass er viel zu tun habe, keine weitere Reaktion.
Kontaktaufnahme mit unseren Bundestagsabgeordneten: Außer Floskeln und dem Gefühl, dass das Anschreiben nicht mal gelesen wurde, da auf unsere Fragen überhaupt nicht eingegangen wurde, keine Reaktion.
Schlechtes Gewissen wegen unpünktlicher Züge? Schlechtes Gewissen wegen versprochener aber fehlender Züge für den Gotthardtunnel via Oberrheinstrecke? - Vielleicht interessiert es unsere Landespolitik in Stuttgart auch deswegen nicht. – Bauernopfer Lottstetten.
Auf Kreisebene wird uns zwar zugehört und vieles wortreich versprochen, letztendlich gelten aber auch hier die Aussagen der SBB wohl als Gesetz und die Befindlichkeiten gegenüber der Schweiz als wichtiger – ohne sich mit einer grundlegenden Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit oder gar Alternativen für Lottstetten überhaupt vernünftig auseinandersetzen zu wollen.
Stattdessen zeigt man sich stolz in Gremien („Grenzüberschreitender Austausch“), in denen mutmaßlich über die Köpfe der eigentlich betroffenen Bürger hinweg gefeilscht wird.
Bürger aus so einem kleinen Dorf weit abseits von Brüssel, Berlin, Stuttgart oder anscheinend auch Waldshut sind es wohl nicht wert, wahrgenommen zu werden. Haben doch nicht alle (Minderheiten) die gleichen Rechte?
Politikverdrossenheit mündiger Bürger? – So wird sie seitens der „etablierten Parteien“ geschaffen.
Da braucht sich niemand – egal welcher politischer Couleur – wundern oder gar jammern, dass politische Bauernfänger immer mehr Zulauf bekommen…
Leserbrief zum Artikel „Halbstundentakt im Jestetter Zipfel“ von Heinz J. Huber am 15.05.24
In Ihrem Artikel über die Kreistagssitzung steht die „Pflicht zur Kostenbeteiligung“ im Vordergrund. Vom Titel der Onlineversion „Doppelspurausbau...“, bleibt im Zeitungsartikel nur „Halbstundentakt“. Am Ende dann noch Anmerkungen wie „die Wohngebiete werden mit Schallschutzwänden aus Glas abgeschirmt“, „die Gemeinde begleitet das SBB Projekt“ oder „der Austausch ist gut“.
Das erweckt den Eindruck, der Doppelspurausbau in Lottstetten sei eine unproblematische Win-Win-Situation und alles wäre geklärt. Der SBB dürfte das gefallen. Nur keinen Staub aufwirbeln.
Ist es so einfach, die wirklich kritischen Punkte vor Ort zu umgehen und auf Verwaltungsebene von oben nach unten emsig Zusagen und Einverständnisse einholen bis es so aussieht, als ob alles schon so gut wie abgesegnet sei?
Für sich gesehen können scheinbar harmlose Teilaspekte im Ganzen gesehen zu viel größerer Tragweite kumulieren und eine völlig andere Bewertung erfordern!
Dürfen wir darauf hoffen, dass sich unsere lokale Presse und unsere politischen Vertreter, die sich ja demnächst zur Wahl stellen dieses Themas annehmen, auch wenn der drohende Verlust an Wählerstimmen verglichen mit ähnlichen Projekten überschaubar ist?
Gibt es da Impulse, hartnäckiger nachzuhaken, nachzufragen und zu hinterfragen, was die SBB da ohne belastbare Belege als alternativlose Lösung durchsetzen will?
Sollten denn außer dem Lottstetter Rathaus nicht auch alle übergeordneten und beteiligten Stellen und Behörden das ganze Projekt der SBB zuerst einmal von Grund auf hinterfragen, bevor über Pflichten zur Mitfinanzierung verhandelt wird?
Und Fragen gibt es viele.
Ist das Projekt angesichts der Belastung für Gemeinde und Anwohner so wie geplant überhaupt verhältnismäßig? Warum Doppelspurausbau auf deutschem Gebiet durch das dichtbesiedelte Ortszentrum, wenn es direkt nebenan kilometerlang nur über Schweizer Viehwiesen geht?
Das Hauptargument der SBB für den Ausbau genau im Ortskern von Lottstetten ist ihre (bisher nicht belegte) Berechnung der Zugkreuzungspunkte. Hält das einer unabhängigen deutschen Überprüfung überhaupt stand?
Ist ausgeschlossen, dass hier vielleicht das kommerzielle Interesse eines Wirtschaftsunternehmens auf Kosten einer Gemeinde und der betroffenen Bürger optimal gewinnbringend abgewickelt werden soll?
Oder könnte es einfach daran liegen, dass die bürokratischen und juristischen Hürden in Deutschland nicht so hoch sind wie in der Schweiz? Immerhin wurden meines Wissens große Ausbauvorhaben der SBB in drei Schweizer Nachbargemeinden gerade abgelehnt.
Wurden überhaupt alle Alternativen auf Schweizer Boden in die Planung einbezogen und wurde nachprüfbar belegt, warum keine davon in Frage kommt?
Sollte bis hierhin nichts gegen den Ausbau in Lottstetten sprechen, bleibt noch die größte Frage: Warum soll es keine Vollsperrung für den Ausbau geben? Die SBB behauptet einfach, das sei unmöglich.
Im Interview mit Infrastrukturvorstand Berthold Huber von der Deutschen Bahn mit der FAZ vom 27.05.2024 ist hingegen zu lesen: „...Mit der Generalsanierung, die mit monatelangen Sperrungen einhergehe, lasse sich mehr erreichen als mit Sanierungen „unter rollendem Rad“. „Wenn eine Strecke in einem schlechten Zustand ist, ist es effizienter, sie für einige Monate voll zu sperren und die Arbeiten zu bündeln, statt diese über mehrere Jahre zu verteilen.“ Während einer Vollsperrung sei das Bauvolumen vier- bis fünfmal so hoch wie bei einer gewöhnlichen Baustelle.
Und hier geht es nicht um die Umfahrung eines Dorfes an einer Randstrecke, sondern um die Sperrung der Kernstrecke Frankfurt – Mannheim! Dort ist es möglich.
Eine für die Anwohner und Dorf akzeptable Gleisführung und Bauorganisation ist nur mit Vollsperrung überhaupt denkbar.
Was uns am meisten irritiert:
Die SBB verhandelt bereits mit dem Landkreis und anderen, übergeordneten Behörden über Details, speist die Gemeindeverwaltung mit minimalen und verzögerten Informationen ab, und die massiv betroffenen Anlieger werden überhaupt nicht darüber informiert, was genau auf Ihren Grundstücken und mit ihren Häusern geplant ist.
Mir ist nicht bekannt, dass bis heute, nach über zweieinhalb Jahren „vorbildlichem Bürgerdialog“ der SBB, ein einziger, belastbarer Bauplan mit genauen Maßangeben an einen Anlieger ausgehändigt wurde.
Geschweige denn, dass wir Anlieger in den Planungsprozess mit einbezogen worden wären, wie wir uns Lösungen im Einzelnen vorstellen. Wir werden von der SBB nur in einem unangebrachten Behördenton informiert, was die SBB tun wird. Die Informationsveranstaltungen der SBB in der Gemeindehalle waren für uns dementsprechend Alibiveranstaltungen ohne Erkenntnisgewinn.
Wir können nur hoffen, dass sich unsere zuständigen Politiker nicht auf dieses Spiel einlassen, uns zu umgehen, und das alles auf dem großen Dienstweg von oben nach unten zu erzwingen.