SBB_Doppelspurausbau Lottstetten

Bahnprojekt der SBB: Deutsche Gemeinde trägt die Lasten.

Zu übertrieben? Schauen Sie sich doch einmal an, wie so eine Baustelle aussieht, klicken Sie hier:

Vollsperrung sei bei dem Ausbau hier in der deutschen Gemeinde nicht möglich? In der Schweiz schon:

Streckensperrung der SBB

Die Verbindung von Genf/Basel nach Mailand ist drei Monate lang unterbrochen – reduziertes Angebot mindestens bis 2027

Fünfmonatige Streckensperre im Laufental im Jahr 2025 – Verkehrsmassnahmen

Zugstrecke Bern-Freiburg für zwei Monate gesperrt

Von Ende März bis Anfang August 2025 wird die Bahnstrecke zwischen Schüpfheim und Langnau wegen umfangreichen Bauarbeiten gesperrt.

Achtmonatige Totalsperre zwischen Buchs SG und Altstätten SG

Totalsperre zum Doppelspurausbau im St. Galler Rheintal

Im Letzten Artikel wird darauf hingewiesen, dass der Ausbau durch die Vollsperrung 1 Jahr früher fertiggestellt werde und wie die SBB auch während der Totalsperre bestmögliche Reisemöglichkeiten anbietet.

Die Vollsperrung würde nicht nur die Bauzeit verkürzen, es müsste auch nicht die ganze Nacht gebaut werden und vor allem wäre eine optimale Baustellenzufahrt und Gleisausmittelung auf bisherigem Bahngelände möglich und man müsste nicht für beides Privatgrund auf der gesamten Strecke verwüsten und beanspruchen.

Worum geht es?

Das jüngste Beispiel für die einseitige Belastung deutscher Grenzgemeinden durch die Schweiz ist der geplante Doppelspurausbau der Bahnstrecke Zürich–Schaffhausen durch die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Die Strecke verläuft auf einem kurzen Abschnitt über deutsches Gebiet.
Der Ausbau wird in der betroffenen deutschen Gemeinde damit begründet, dass damit der Halbstundentakt der S-Bahn zwischen Zürich und Schaffhausen realisiert werden soll. Es spricht aber einiges dafür, dass vor allem die Steigerung des Güterverkehrs der eigentliche Grund für Baumaßnahmen in der geplanten Dimension ist.
Dass die Schweizer Infrastrukturmaßnahmen ausschließlich auf dem kurzen Streckenabschnitt auf deutschem Gebiet realisiert werden sollen, konkret mitten durch den dichtbesiedelten, alten Ortskern der Gemeinde Lottstetten, sorgt nachvollziehbar für Misstrauen und Verwunderung.

Wer ist der Auftraggeber für das Projekt? Wer hat den Nutzen?

Die Schweizer Politik legte Ziele für die Schweizer Infrastruktur fest und beauftragte Ämter und Behörden damit, zu planen. Als die Pläne genehmigt oder beschlossen waren,wurde die SBB mit der Durchführung beauftragt.
In dem undurchsichtigen Prozess ist es nicht ohne weiteres auszumachen, wer ursprünglich auf die Idee kam, alle ungeliebten und belastenden Baumaßnahmen auf deutschem Boden durchzuführen.
Ebenso wenig ist auszumachen, inwieweit und auf welcher Ebene auch von deutscher Seite aus der Politik in Absprachen und Verhandlungen hier über die Köpfe der betroffenen Bevölkerung hinweg Abmachungen getroffen und Kuhhandel getrieben wird. Diese Verhandlungen gehen im Stillen vor sich und das Dickicht von grenzüberschreitenden Initiativen und Kooperationen ist undurchschaubar. Ebenso die Ziele und die Profiteure.
Ein Blick auf die Oberfläche:
Das Schweizer Bundesamt für Verkehr (BAV) führt in der „Perspektive Bahn 2025 -
Angebotsentwicklung im Personenverkehr“ u.A. folgende Punkte an:

  • Stärkung des S-Bahn-Verkehrs
  • Neue Durchmesser- und Tangentiallinien in Agglomerationen
  • Ausbau der Vorortsbahnhöfe mit vermehrt Bedienung durch IR- und RE-Züge
  • Anbindung von kleineren und mittelgrossen Städten an die grossen Agglomerationen
    Das bildet die lokale Situation zwischen Zürich und Schaffhausen ab.
    Link zur Quelle

    und
    in dieser Quelle (Link zur Quelle)
    so wie hier (Link zur Quelle) (Anfrage)

In einer Stellungnahme des Bundesrates vom 23.11.2022 heißt es schließlich:
„ Die Perspektive Bahn 2050 zeigt auf, mit welchen Stossrichtungen die Eisenbahn einen maximalen Beitrag zur Erreichung der übergeordneten Ziele des Bundes,...........leisten kann. Es geht dabei nicht um die Festlegung eines zukünftigen Streckennetzes.“
Was den Halbstundentakt angeht handelt es sich um ein rein Innerschweizer Projekt und die Ziele des Schweizer Bundes. Und es wird ausdrücklich ausgesprochen dass es keine Festlegung eines Streckennetzes gibt. Es ist also überhaupt nicht nachvollziehbar, warum der Halbstundentakt ausschließlich durch den Ausbau in einer deutschen Gemeinde geschehen soll.
Außer, man möchte die Schweizer Bürger vor Belastungen verschonen oder fürchtet in der Schweiz stärkeren Wiederstand.
Durch den Badischen Staatsvertrag, der die Nutzung des Bahngeländes auf deutschen Staatsgebiet durch die SBB regelt, ist die SBB gehalten, die beiden deutschen Bahnhöfe auf der Strecke nicht gegenüber Schweizerischen Bahnhöfen zu benachteiligen sondern gleichwertig zu behandeln.
Wenn die Schweiz also in ihrem eigenen Interesse für Ihre Bürger den Halbstundentakt auf dieser Strecke einführt, dann muss dieser an den beiden deutschen Bahnhöfen auch angeboten werden. Entpuppt sich also als vertragliche Verpflichtung, was als großzügiges Geschenk gönnerhaft von der Schweiz angepriesen wird?

An welchem Streckenabschnitt (wo) soll der Ausbau genau stattfinden?

Sehr interessant ist, dass im "Kanton Zürich RICHTPLAN 2024“ vom Kanton Zürich (Link zur Quelle hier)
der Abschnitt für den geplanten Doppelspurausbau von der deutschen Grenze bis zum Bahnhof Rafz je nach Fragestellung Güter- oder Personenverkehr unterschiedlich ausgewiesen ist.
(unter 4.3-5 Tabelle ganz unten wird die Strecke zusammen genommen Güter und Personen mit „vollständiger Ausbau Doppelspur“ versehen. Der Realisierungshorizont aber mit „langfristig – Trassensicherung“ angegeben.
Also kein aktueller Bedarf für die Realisierung derzeitiger Auslastung? Und evtl wird es später gar nicht gebraucht, aber schon mal „gesichert“ – auf Kosten eines Dorfes?
Und auf Schweizer Seite muss derzeit gar nichts gesichert werden?
(Ebendort in Abb. 4.2 „Infrastrukturvorhaben im öffentlichen Verkehr und Korridore für internationale Verbindungen“ ist die Strecke Deutsch-Schweizer Grenze bis Rafz ebenso wie die Querung des Rheines bei Eglisau als geplanter Doppelspurausbau ausgewiesen. Der Streckenabschnitt über deutsches Gebiet ist gar nicht ausgezeichnet.
Sehr interessant ist die Rheinbrücke. Weil die alte Brücke unter Denkmalschutz stehe sei hier eine Doppelspur gar nicht möglich. Das ist derzeit das Hauptargument der SBB, warum der Ausbau genau im Ortskern von Lottstetten unumgänglich sei und Alternativen abgelehnt werden (siehe Alternativen). Schon merkwürdig, wo die Rheinquerung doch offensichtlich schon lange in die Planung einbezogen ist.

Unter Angebotsziele Schienengüterverkehr 2050, Punkt 6 identifikation von Trends – 6.1 Geplante Infrastrukturmassnahmen
in Tabelle 7 und Abbildung 20 (bis 2035 geplante Infrastrukturmassnahmen mit Nutzen für den Güterverkehr) ist kein Ausbau in der Schweiz bis über den Rhein, wohl aber die Strecke Jestetten durch Lottstetten bis zur Schweizer Grenze als Ausbaustrecke ausgewiesen. Von der Grenze bis Rafz ist hier (für den Güterverkehr) kein Ausbau vorgesehen. (LINK zur Quelle hier)

Nach diesen Plänen wird wäre ein Ausbau im Ortsgebiet von Lottstetten für den Personenverkehr also nicht notwendig, wohl aber für den Güterverkehr. Und für Güterverkehr ist wiederum kein Ausbau von der Grenze bis oder über den Rhein vorgesehen.
Alles sehr willkürlich und offenbar von ganz anderen Beweggründen motiviert als den scheinbar unumgänglichen Eckpunkten, mit denen die SBB den Ausbau genau hier und genau so erzwingen will.

Was ist die Gäubahn? Was hat das mit der Gäubahn zu tun?

Die Gäubahn soll Zürich via Singen direkt mit dem Stuttgarter Hauptbahnhof verbinden. Soweit die Theorie. Ursprünglich war es die Strecke Stuttgart - Singen.

Im Gutachten zu Fahrzeitverkürzungen auf dem internationalen Korridor Stuttgart – Zürich. Schlussbericht vom 31.08.2016 mit Ergänzungen vom 09.09.2016
vom Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg, Stuttgart (Quelle hier)
heißt es noch unter Variante A.0 und B.0:
„Zweigleisigkeit bei Lottstetten bis Rafz“
dort in der Hervorhebung/Anmerkung und in der Tabelle I, Seite V:
„Zweigleisigkeit Grenze D/CH bei Lottstetten bis Rafz“.

Die Empfehlung (Seite VI unten) lautet:
"Mit dem Ziel die Fahrzeiten auf der Gäubahn und auf der internationalen Verbindung Stuttgart-Zürich zu reduzieren, um den Verpflichtungen aus
der Vereinbarung von Lugano zumindest teilweise nachzukommen,.... .......So können die Investitionen von Norden nach Süden zunächst dort
Nutzen entfalten, wo auf dem deutschen Streckenabschnitt

(Anm. Lottstetten ist Schweizer Abschnitt)

die größte Nachfrage besteht und für die hauptsächlich politisch zu klärende Frage, ob der Fernverkehr Stuttgart-Zürich über die Singener Kurve geführt werden soll, bleibt genügend Zeit, da diese erst vor der Umsetzung des Pakets 4 angegangen werden muss, ohne dass Investitionen getätigt werden müssen, welche später obsolet würden."

(Anm. Ein Hinweis auf stark verflochtene politische Interseesn und Vereinbarungen, die wir als Betroffene hier nicht weiter entschlüsseln können. Es besteht aber eine große Skepsis, dass ganz andere Pläne und Interessen verfolgt werden, auf Kosten unserer Rechte und Belange. Ein kleines Dorf an der Grenze als Bauernopfer für übergeordnete politische Absprachen?)

Unter Punkt 5, Baukasten mit möglichen Infrastrukturausbaumaßnahmen, heißt es weiter unter 5.2.2 (Seite 36):
"Die partielle Zweigleisigkeit Lottstetten – Rafz beginnt unmittelbar nach der Landesgrenze D/CH am Ende der Rechtskurve ca. bei km 29,000 und führt bis in den Bahnhof Rafz (ca. km 27,400) hinein. Die Strecke verläuft auf diesem Abschnitt à Niveau oder in leichter Dammlage."

(Anm. Also auch für die Gäubahn ist ein Ausbau Im Ort Lottstetten hier nicht notwendig (!) )

und weiter:
"Neben der Verbreiterung des Damms müssen als ingenieurtechnische Bauwerke eine neue Querung des landwirtschaftlich genutzten Wegs beim
Pflegeheim Peteracker, eine Querung des Solgemerwägs und eine Querung
des Lachewägs erstellt werden. Die Eisenbahnüberführung über die Rüdlingerstrasse in der nördlichen Bahnhofseinfahrt von Rafz ist bereits für
einen zweigleisigen Ausbau vorbereitet worden und muss daher nicht angepasst werden."

(Anm. Genau hier ist aber, wie erst im Feb. 2025 in Lottstetten bekannt wurde, Inzwischen die LKW Zufahrt vom Bahnhof zur Mülldeponie Bleiki in der Gemeinde Rafz geplant - siehe dort-)

(LINK Quelle hier. https://vm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-mvi/intern/Dateien/PDF/Gaeubahn_Studie-Schlussbericht_160909.pdf

Wie soll in Lottstetten genau gebaut werden?

Die starke Hanglage von Lottstetten, führt zu zusätzlichen Problemen und Belastungen. Hier sind teilweise über 7 Meter Böschung zu befestigen. Das erfordert neben dem ohnehin schon erheblichen Bauvorhaben zusätzlich umfangreiche Stützbauwerke und Bodenverankerungen mit entsprechend tiefen Aushubarbeiten und einem enormen Materialeinsatz. Es vervielfacht damit auch die Belastung durch Gigantische Erdarbeiten mit schwerem Gerät und Abraum und Zulieferung, die aus und in den Ortskern geführt werden müssen. Die Lage der geplanten Baustrecke ist denkbar ungeeignet, unverständlich weil zu beiden Seiten freies Feld anschließt.

Als sei das nicht genug, soll die Strecke tagsüber ohne Einschränkung befahren und die Baumaßnahmen 4 Jahre lang ausschließlich nachts durchgeführt werden. Eine Vollsperrung würde die Bauzeit nicht nur auf ca. die Hälfte verkürzen sondern auch Bauarbeiten bei Tage ermöglichen und den Fremdgeländebedarf und die Zerstörungen erheblich reduzieren. Eine Vollsperrung lehnt die SBB aber kategorisch ab. Im Gegensatz zu einer ähnlichen Baumaßnahme im Rheintal, unter demselben Projektleiter, wo sie bei der Schweizer Bevölkerung sogar dafür warb, wie reibungslos sie einen Schienenersatzverkehr ohne nennenswerte Benachteiligungen organisieren kann.

In Deutschland heißt es dazu in der FAZ: „ Die Deutsche Bahn operiert am offenen Herzen. 27.05.2024........... Infrastrukturvorstand Berthold Huber im F.A.Z.-Gespräch....Mit der Generalsanierung, die mit monatelangen Sperrungen einhergehe, lasse sich mehr erreichen als mit Sanierungen „unter rollendem Rad, sagte Huber.“....„Wenn eine Strecke in einem schlechten Zustand ist, ist es effizienter, sie für einige Monate voll zu sperren und die Arbeiten zu bündeln, statt diese über mehrere Jahre zu verteilen.“.... „Während einer Vollsperrung sei das Bauvolumen 4-5 mal so hoch wie bei einer gewöhnlichen Baustelle.“
Interessant, dass diese Nebenstrecke wichtiger zu sein scheint, als die wichtigste Gütertrasse in Deutschland. Unterbrechungen und Sperrungen der Gäubahn in Schwaben sind auf Jahre hinaus absehbar, das hätte man zeitgleich sperren können um keine zusätzliche Sperrung zu haben, wo die Strecke ohnehin nicht wie vorgesehen befahrbar ist. Aber zu argumentieren, dort überall geht es, hier aber auf keinen Fall, und das, wo hier doch ein nicht EU Mitgliedsland ein ausländisches Projekt über deutschem Gebiet realisieren will?

Der Bauabschnitt grenzt talseitig durchgehend an Privatgrundstücke, hangseitig fast ausschließlich an Straßen und Wege. Die Gemeinde hat der SBB angeboten, diese als Baustellenzufahrt zu nutzen und sogar Gelände für die Trasse abzutreten.

Beidseits des bestehenden Geleises im Ortsbereich verfügt die SBB über genügend Bahndammgelände, um den geplanten Doppelspurausbau bei optimaler Nutzung dieses Terrains auszuführen, ohne oder fast ohne privaten Grund in Anspruch nehmen zu müssen. Das gilt auch für die benötigten Zufahrtswege und Materiallagerplätze. Eigentlich sollte die SBB Ihr eigenes Terrain optimal nutzt und durch entsprechende Geleisführung (Ausmittelung beider Gleise auf bestehendem Bahngelände) möglichst wenig Fremdgelände in Anspruch nehmen.

Weil die SBB auf Vollbetrieb der Strecke während des Ausbaus besteht, kann die Geleisführung weder optimal ausgemittelt werden noch ist ein Ausbau auf der Hangseite geplant. Das neue Geleis soll ausschließlich talseitig mit direkt angrenzenden Privatgrundstücken auf dem gesamten Abschnitt neben das bestehende Gleis angebaut werden. Da bei Vollbetrieb weder Stirnseitig, noch über das bestehende Gleis angeliefert werden kann, ist der Geländebedarf auf Kosten der Anlieger noch größer, weil hier nicht nur die zusätzliche Gleisanlage, die gesamten gigantischen Stützbauten mit Aushubarbeiten sondern auch noch die Zufahrtswege und Materiallagerplätze auf die Privatgrundstücke ausgeweitet werden sollen.
Eine andere Möglichkeit wäre, den deutschen Ortskern von der Zweigleisigkeit auszusparen und dafür auf direkt anschließendes Gelände auf Schweizer Boden bis zum Bahnhof der nächsten Gemeinde (Rafz, CH) auszuweichen. Dort ist nur freies Feld. Aber auch das lehnt die SBB kategorisch ab. Inzwischen ist bekannt geworden, dass genau hier schon seit Längerem die Lastwagenzufahrt für eine geplante, große Mülldeponie (Bleiki) für hochgiftige Abfälle der Klasse E (CH Einstufung) gebaut werden soll, um die Schweizer Nachbargemeinde Rafz zu umgehen wenn Abfälle mit der Bahn angeliefert, auf LKW umgeladen und auf diesem Weg zur Deponie verbracht werden sollen. Auf deutschem Gebiet sollen hingegen Privatgrundstücke in großem Umfang bereitgestellt oder aber enteignet werden. Maximaler Nutzen für die SBB bei maximalem Schaden für die – und auf Kosten der Anrainer.

Die SBB lehnt auch jedes Entgegenkommen bei der Streckenkapazität oder moderate Geschwindigkeitsanpassungen zugunsten einer die Anwohner weniger belastenden Streckenoptimierung kategorisch ab.

Die Schweiz besteht darauf, dass die von Ihr vorgelegte Planung und der Ort des Ausbaus als einzige, unumstößliche Lösung anzusehen seine. Es werden keinerlei Alternativen vorgeschlagen und keinerlei Kompromisse in Betracht gezogen. Auch ist nicht zu erkennen, dass der Schweizer Bevölkerung ähnliche Belastungen bei so geringer Entschädigung zugemutet werden. Vor geraumer Zeit beim Streckenausbau einige Kilometer weiter wurde sogar ein Fall bekannt, wo beim Erwerb zum Gleisausbau von 2 benachbarten, gleichwertigen Grundstücken in Deutschland ein Besitzer eine deutlich höhere Entschädigungszahlung von der SBB erhielt als der andere, weil er Schweizer war.

Argumente und Fragen

Der Halbstundentakt

Vordergründig wird der Halbstundentakt als großer Gewinn für Lottstetten (was er zweifelsfrei ist) und als Grund für den Ausbau herausgestellt.
Der Kanton Zürich und das Parlament sagt dazu unter "angebotsziele_schienengueterverkehr_2050" (Link zur Quelle):
"Der Bundesrat wird beauftragt, die heute geltende Gesetzgebung dermassen anzupassen, dass beim zukünftigen Ausbau der Bahninfrastrukturen im Rahmen des Projektes Bahn 2050 der Anschluss der ländlichen Regionen an die Agglomerationen konsequent einbezogen und verbessert wird. Jeder Ausbauschritt auf den Hauptverkehrsachsen zwischen den Zentren muss auch Verbesserungen der Feinerschliessung in den räumlich anschliessenden ländlichen Regionen nach sich ziehen...........“

Der Halbstundentakt wird vom Schweizer Ministerium für Verkehr im Verkehrsplan 2050 auch für kleinere und periphere Strecken zur besseren Anbindung von Schweizer Pendlern gefordert. Im Rahmen des Badischen Staatsvertrages dürfen die 2 an der Strecke liegenden deutschen Gemeinden nicht benachteiligt werden. Ihnen muss der Halbstundentakt also auch gewährt werden. Also kein großzügiges Geschenk, sondern eine Vertragspflicht in einem rein für Schweizer Interessen geplanten Verkehrsprojekt. Der Halbstundentakt wäre höchstwahrscheinlich auch ohne Ausbau möglich, das hat die massiv erhöhte Streckenauslastung durch Umleitung während der Sperrung der Riedbahn (Vollsperrung zwischen Frankfurt und Mannheim 15. Juli bis zum 14. Dezember 2024) gezeigt.
Der Hauptgrund für den massiven Ausbau dürfte eher beim geplanten Güterverkehr liegen. Das wird möglichst nur am Rande erwähnt.

Warum so viele Güterzüge

Abgesehen von dem ohnehin eingeplanten Anstieg des Güterverkehrs in der Schweiz sind hier noch einige spezielle Faktoren zu nennen, die rein lokale Schweizer Interessen bedienen und weder mit dem Personenverkehr noch mit internationalem Güterverkehr zu tun haben.
Die geplante Mülldeponie Bleiki im Nachbarort Rafz (CH) 25 m (!) von der deutschen Grenze. Deponietyp: B bis E, Volumen: ca. 2.6 Mio. m3, jährliche Anlieferung: ca. 90'000 m3, Betriebsdauer: ca. 33 Jahre
Anlieferung: 20 % per Strasse, 80 % per Bahn (ca. 120 zusätzliche Züge im Jahr für den Anlagenbetrieb, nicht genannt ist der aufwand für den Bau der Deponie).

Nach Aussagen der Projektbetreiber wurde von der SBB schon lange eine genaue Aufstellung des dann zusätzlich stark steigenden Güterzugaufkommens auf dieser Strecke verlangt.
Der Müll wird dann vom Zug auf Lastwagen verladen und direkt zur Deponie geführt. Die Zufahrt erfolgt zum Schutz der Rafzer Bevölkerung unter Umgehung des Dorfes am Bahngleis entlang, zufällig genau da, wo zur Entlastung der Gemeinde Lottstetten auf Schweizer Seite ein Doppelspurausbau möglich wäre.
Die Ablehnung der Deponie im Gemeinderat von Rafz (CH; Entfernung Deponie erstes Haus: ca. 700 m) wich, nachdem Entschädigungszahlungen von ca. 2 Mio. SFr. pro Jahr angeboten wurden. Für die in Windrichtung östlich der Deponie gelegene Gemeinde Lottstetten (D; Entfernung Deponie erstes Haus: ca. 450 m), ist keine Entschädigung vorgesehen, Aber ein Doppelspurausbau.
Grundlage für den Ausbau ist der Richtplan Kanton Zürich, Stand Feb. 2023 (Quelle Stand 24)
Hier wird der Doppelspurausbau definiert als: 46 Eglisau–Neuhausen „S-Bahn, Fernverkehr, Güterverkehr“, Vollständiger Ausbau auf Doppelspur langfristig (Trasseesicherung) (Punkt 4.3-4) und in der Grafik Punkt 4.3-5 (Abb. 4.2: Infrastrukturvorhaben im öff. Verkehr und Korridore für internat. Verbindungen.) ist der Doppelspurausbau von der Grenze in Lottstetten (D) bis zur Nachbargemeinde Rafz (CH) als geplant eingezeichnet, ebenso wie über die Rheinbrücke nach Eglisau. Genau was die Gemeinde Lottstetten fordert, davon ist inzwischen nicht mehr die Rede und dieser Abschnitt ist ja inzwischen für die Anlieferung der LKW zur Mülldeponie vorgesehen (s.o.).

Weiter unter punkt 4.3-6 4.3.3 a) „Der Kanton setzt sich für die zeitgerechte Realisierung von leistungsfähigen, schnellen und direkten internationalen Bahnverbindungen zu den Benachbarten Metropolitanräumen ein. Im Vordergrund stehen dabei die Verbindungen nach Schaffhausen–Stuttgart...“
Unter 4.3.2 a) heißt es sogar: Zur Verkürzung der Fahrzeit zwischen Zürich und Basel ist ein zusätzlicher Juradurchstich erforderlich. Aber eine Zusätzliche oder verbreiterte Rheinbrücke bei Eglisau soll nicht möglich sein?

Materiallager und Abraum Hüntwangen Wil

Aus dem Richtplan des Kanton Zürich, Stand Feb. 2023
Kies und Aushub, die regelmässig und in grossen Mengen transportiert werden, eignen sich besonders für den Schienengüterverkehr und sind weitgehend mit der Bahn zu transportieren ........Die grossen Kiesgruben im Rafzerfeld und in der Gemeinde Weiach verfügen für die Dauer ihres Betriebs über befristete Verladeanlagen.
Unter 5.3 Materialgewinnung
„.....
Neue Materialgewinnungsgebiete sind grundsätzlich nur dort vorgesehen, wo ein Bahnanschluss vorhanden oder dessen Neubau realistisch ist.....“
„..Bei Materialgewinnungsgebieten mit einem bestehenden oder vorzusehenden Bahnanschluss sind geeignete Massnahmen zur Förderung des Materialtransports per Bahn zu treffen...“
Unter „5.3-4 in Abb 5.2: „Materialgewinnungsgebiete“ ist die Region Rafz als solches ausgewiesen.
Unter 5.3.3 Massnahmen: „Der Kanton ...... führt einen Kieskataster über Standorte..... Die Massnahme ist in folgenden Geländekammern umzusetzen:
Rafzerfeld (Gemeinden Wasterkingen, Hüntwangen, Wil, Rafz)
Windlacherfeld/Weiach (Gemeinden Glattfelden, Stadel, Weiach).......
Für den umweltfreundlichen Transport schafft der Kanton die notwendigen Voraussetzungen für dezentrale Umschlagplätze....... Er erarbeitet in Zusammenarbeit mit der entsprechenden Branche Massnahmen, um einen Bahnanteil von 35% zu erreichen.
Der Kanton schafft die gesetzlichen Grundlagen, damit bei Grossbaustellen die Kies- und Aushubtransporte grundsätzlich mit der Bahn, dem Schiff oder im kombinierten Ladungsverkehr erfolgen.“
Unter Punkt c) Gemeinden: „......für Baustellen mit grossem Kies- oder Aushubverkehr sind ...... Vorgaben bezüglich der Transportrouten zu treffen. Dabei ist der Minimierung der Transportdistanzen auf der Strasse und der Schonung von Wohngebieten besondere Beachtung zu schenken.“

Quelle Abb. 3.3-4 Pnnkte 37 - 42 und Tabelle davor; : Richtplantext 2015

Daraus wird ersichtlich, dass hier auf Schweizer Seite lokal ein steigender Bedarf an Güterzugsverkehr begründet liegt und warum ein Doppelspurausbau notwendig werden kann. Aber bei weitem nicht, warum dieser ausschließlich in Deutschland stattfinden soll.
Beim Doppelspurausbau in Lottstetten sollen Zu- und Abfahrt inkl. Lagerplätze direkt in und durch den dicht bebauten Ortskern und alle Privatgrundstücke entlang des Bauabschnittes führen.

Gigantisches Verteilungslager "Galaxus" in Rafz:


Galaxus, der grösste Onlinehändler der Schweiz, will in Rafz (CH) ein gigantisches Logistikzentrum mit einer Fläche von 60 000 Quadratmetern bauen. Das Unternehmen rechnet mit 1500 Lastwagenfahrten vom Zentrum weg und zum Zentrum hin plus die An-und Abfahrt der Mitarbeiter (total 1100 – pro Tag). 5% der Mitarbeiter sollen durch Rafz (CH), 30% übers benachbarte Lottstetten (D) und Jestetten (D) führen. (Quelle Infobroschüre RAFZ). Das neue Verteilzentrum soll Ware nach Deutschland, Frankreich und in die Schweiz liefern können.

„Von den geschätzten LKW Fahrten vom/zum Bahnhof (368 total) führen immerhin 26%-58% Richtung Schaffhausen (CH), also direkt über’s benachbarte Lottstetten (D).
Hinzu kommen unzählige Transporte auf der Schiene.“ (Quelle Infobroschüre RAFZ)
„Dass sich ein erfolgreicher Onlinehändler wie Digitec Galaxus hier ansiedeln will, wo eine gute Verkehrsanbindung gewährleistet ist, hält der Gemeindepräsident von Rafz, Kurt Altenburger (SP), für sinnvoll.“ (NZZ)
Allerdings soll diese gute Verkehrsanbindung wohl erst einmal durch den Doppelspurausbau in der Gemeinde Lottstetten mit geschaffen werden.
“Während man in Rafz schon mit der enormen Wertschöpfung für das lokale Gewerbe von 3-5 Mio. SFR und diversen Steuereinnahmen“ (Quelle Infobroschüre RAFZ) umworben wird, profitiert die Gemeinde Lottstetten auch von diesem Projekt nicht, wird aber wohl erheblich durch mehr Verkehr belastet.

Man fragt sich zurecht, warum es niemanden interessiert, inwieweit diese Projekte die Dimensionierung des Streckenausbaus beeinflussen und warum für überwiegend schweizinterne Belange ausschließlich eine Deutsche Gemeinde gleich mehrfach belastet werden soll. Ohne Entschädigung und ohne Nutzen.

Politische Unterstützung und Presseresonanz

Diese Haltung der SBB lässt wenig Raum für Kompromisse und schürt Unmut in der betroffenen Gemeinde. „Die Schweizer Seite zeigt sich zu keinerlei Zugeständnissen bereit und maximiert ihre Interessen auf Kosten unserer Lebensqualität“, klagen Betroffene. Während die Schweiz ihre Interessen konsequent durchsetzt, stehen die betroffenen deutschen Bürger vor erzwungenen Tatsachen, ohne nennenswerte Unterstützung seitens der deutschen Politik oder Verwaltung.
Die Leiterin der zuständigen deutschen Behörde im Regierungspräsidium lehnt ein Gespräch mit den betroffenen Bürgern vor Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens, um das diese gebeten haben, sogar ausdrücklich ab und ist nur bereit, sich mit dem Bürgermeister zu treffen. Die SBB hingegen bringt ihr Anliegen und Ihre Sichtweise auf allen Ebenen munter und willkommen vor.
Auch die lokale Presse behandelt dieses Thema unverhohlen lautlos. In den wenigen Berichten von Informationsveranstaltungen werden die vehementen und zahlreichen Diskussionsbeiträge und die Sicht der Bürger so gut wie nicht und verkürzt erwähnt. Das ganze Projekt wird, ähnlich der Schweizer Sichtweise, sehr verharmlost dargestellt. Es gab noch keine Anfrage der Presse um ein Gespräch mit Vertretern der Gemeinde oder den betroffenen Bürgern, um sich ein Bild der Situation zu verschaffen und darüber zu berichten.
Sogar einige Artikel in Schweizer Zeitungen über die Informationsveranstaltungen bilden die Fragwürdigkeit der Planung und den Unmut der Bevölkerung weitaus besser ab als die lokale Presse.

Und besonders fragen sich die Betroffenen, warum das in der Politik von Kreis über Land bis Bund überhaupt nicht zu interessieren scheint. Ja, warum die Verantwortliche für das Planfeststellungsverfahren im Regierungspräsidium der Bitte von Bürgern Ihre Sorgen und Einwände zu schildern, sogar ablehnt.
Ist das die vielbeschworene Bürgernähe und das Mittel gegen Politikmüdigkeit mit dem sich der Staat wieder Vertrauen verdient?

Kritische Stimmen auch in der Schweitz.

Last not least sei darauf hingewiesen, dass es auch in der Schweiz sehr kompetente Stimmen gibt, die die Ausbauwut der SBB kritisch sehen.
So lautet eine Schlagzeile im Tages-Anzeiger vom Sommer 24:

"«Wir fahren die SBB an dieWand»
Die vom Parlament beschlossenen Bahnausbauten seiennicht finanzierbar, schreibt der ‹Tages-Anzeiger›. Benedikt Weibel, von 1993 bis 2006 Chef der SBB, fordert dort im ‹Tages-Anzeiger› einen Stopp aller Bahnausbauten, die das Parlament beschlossen hat. Statt als Erstes über die Weiterentwicklung des Angebotskonzepts zu sprechen, würden milliardenteure Ausbauten der Infrastruktur beschlossen – und erst danach würde darüber debattiert, wie die neuen Gleise, Tunnel und Bahnhofsanlagen sinnvoll genutzt werden könnten. Der konzeptlose Fokus auf Ausbauinvestitionen habe fatale und bereits deutlich sichtbare Auswirkungen: Trotz der immensen Bautätigkeit steige der Marktanteil der Bahn nicht. «Wenn nicht Gegensteuer gegeben wird, und zwar sehr rasch, wird das Bahnsystem Schweiz mit seinen heutigen Qualitäten ernsthaftgefährdet», befürchtet Weibel. Er fordert nun zusammen mit einer Gruppe von Bahnspezialisten einen Stopp aller Ausbauten, die noch nicht in Angriff genommen worden sind.“